Eine Weihnachtsgeschichte
Unsere Geschichte beginnt im November. Der Sommer ist längst vorbei. Die Blätter an den Bäumen verfärben sich nur allmählich. Es ist zu warm für die Jahreszeit. In den Geschäften jedoch beginnt, zuerst zögerlich, dann immer intensiver die Weihnachtszeit. Zum ersten Advent ist dann vollends das Weihnachtsfieber ausgebrochen.
Ein kleiner Junge von acht Jahren, wir nennen ihn Johannes, fand heraus, dass an Weihnachten nicht nur das Christkind die Geschenke bringt, sondern auch Menschen sich beschenken. Also machte er sich Gedanken, was er wohl seiner Mutter schenken könne. Von nun an beobachtete er sie, was ihr gefiel und in Einklang zu seiner finanziellen Lage zu bringen war. Er begleitet seine Mutter jetzt häufiger bei ihren Einkäufen im Supermarkt und als sie einmal auf ein Teekännchen zeigte und sagte:„Schau mal, ist das nicht schön. Das würde sehr gut zu meinem anderen Porzellan passen und kostet nur 7,99 €,“ war für Johannes alles klar.
Wenn er mit ihr einkaufen ging, fragte er sie so ganz nebenbei ob ihr das Kännchen noch gefiel. Schließlich musste er bei so einer Geldausgabe ganz sicher sein. Dabei hielt er immer im Auge, wie viele von den Teekännchen noch da waren. Als sie von sieben auf zwei geschrumpft waren, war Eile geboten.
Er überlegte, wie er an eines der beiden Teekännchen kommt. Das war nicht so einfach. Erst einmal brauchte er das Geld, dann musste er, unbemerkt von seiner Mutter, in den Supermarkt kommen.
„Mama, wenn du etwas für 7,99 € kaufen wolltest, wie viel Geld würdest du dann mitnehmen?“ Diese Frage hatte er, damit sie unverdächtig blieb, als Hausaufgabe in sein Heft geschrieben.
Noch am Abend erleichterte er sein Sparschwein um acht Euro. Am nächsten Tag, nach der Schule fuhr er mit seinem Opa das Geschenk kaufen.
Damit es niemand entdeckt, begrub er es unter seinen tausend Spielsachen. Aber es war noch eine lange Zeit bis Weihnachten. So holte er sein Geschenk immer wieder hervor, um es zu betrachten.
Einmal, er hatte es gerade mal wieder hervorgekramt, rief ihn seine Mutter. Weil er vor Weihnachten immer besonders brav war, stellte er es auf den Schrank und eilte zu ihr. Als er zurück kam, lag das Kännchen in Tausend Teile zerlegt auf dem Boden. Zuerst konnte er gar nicht fassen, was da passiert war. Tränen liefen ihm über das Gesicht als er die Scherben vorsichtig aufsammelte. Am Abend weihte er seinen Papa in sein Problem ein. Der schlug vor, das Kännchen zu kleben. Das gelang mehr recht als schlecht. Sie konnten zwar die einzelnen Teile zusammenfügen, aber die Bruchstellen waren zu sehen und dicht war es auch nicht. Drei Tage kämpften der Teufel und der Engel in ihm, ob er es so verschenken oder vielleicht doch ein neues kaufen sollte. Schließlich obsiegte der Engel.
Er entschloss sich zum zweiten mal sein Sparschwein zu plündern. Wieder fuhr er mit seinem Opa in den Supermarkt. Aber da war kein Teekännchen mehr. „Das letzte wurde heute Morgen verkauft,“ sagte die Verkäuferin und, dass es vor Weihnachten sicher keine mehr geben wird.
Schweren Herzens packte Johannes mit seinem Papa abends das geflickte Teekännchen ein und versteckte es wieder unter seinen Spielsachen. Kein Mensch, außer seinem Vater würde dort ein Geschenk vermuten.
Endlich war Heiligabend. Wie die meisten Kinder an Weihnachten war Johannes schon früh aufgestanden. Er schlug die Zeit mit allerlei Aktivitäten tot.
Trotzdem zogen sich die Stunden endlos dahin. Aber, wie an jedem Tag, wurde es auch heute Abend und Oma und Opa hatten sich zur Bescherung eingefunden. Der Weihnachtsbaum strahlte schöner denn je und es schien, als hätte das Christkind seinen Wunschzettel vollständig akzeptiert.
Schließlich war es Zeit seiner Mutter das Geschenk zu geben. Gespannt schaute er zu, wie sie langsam auspackte. Er war sich noch nicht sicher, wie er die Risse erklären solle. Er könne ja so tun als wäre er selbst über das kaputte Kännchen überrascht, verwarf diesen Gedanken aber wieder. Schließlich darf man an Weihnachten nicht flunkern und außerdem wusste ja sein Papa bescheid.
Gerade wollte er ihr sagen, was ihm passiert sei und dass er sogar versucht hatte Ersatz zu bekommen und dass er... als seine Mutter das Teekännchen völlig unversehrt, ohne den kleinsten Riss in der Hand hielt und über das ganze Gesicht strahlte. Er konnte es nicht fassen. Irritiert schaute er seinen Vater an. Doch der lächelte nur, zuckte mit den Schultern und sagte: „Weihnachten geschehen immer wieder kleine Wunder.“
Als PDF herunterladen: Das-Teekaennchen.pdf
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen